Fallbeispiel

Kautschuk: Entwaldung für Gummi

Deutschland ist mit einem Anteil von fast 20% der circa 1,3 Millionen Tonnen europäischen Rohkautschukimporten mit Abstand der größte Verbraucher von Naturkautschuk. Wichtigster Abnehmer ist dabei die Automobilindustrie; etwa 70% des Naturkautschuks wird in Autoreifen verarbeitet. Mit dem dafür gerodeten Wald gehen auch dessen Ökosystemleistungen verloren: wird der Wert der jährlichen Ökosystemleistungen von einem Hektar Regenwald auf über 2.700 Euro bemessen, werden die Ökosystemleistungen von einem Hektar Naturkautschuk in Monokultur dagegen auf nur etwa 430 Euro jährlich geschätzt (Hu 2008).

Jetzt Teilen auf

Problemstellung

Während die weltweite Herstellung an Naturkautschuk im Jahr 2020 noch bei fast 13 Millionen Tonnen lag (Statista, 2023), soll der Bedarf nach dem Internationale Währungsfond (IWF) weltweit auf 17 Millionen Tonnen im Jahr 2025 steigen.

Rund 90 % der weltweiten Naturkautschuk-Produktion stammen aus den tropischen Ländern Südostasiens (FAOSTAT 2018). Die Länder mit der höchsten Produktion sind Thailand, Indonesien, Malaysia, Indien und Vietnam (siehe Graphik). Über 80% der globalen Kautschukproduktion werden von Kleinbäuerinnen und –bauern geleistet, häufig in abgelegenen Regionen. Wird der Naturkautschuk nachhaltig angebaut, schafft der Anbau technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt und Arbeitsplätze.

Doch der Kautschukanbau hat komplexe soziale, ökonomische und ökologische Folgen. Teilweise werden Kleinbauern von großen Unternehmen um ihre Landflächen betrogen (land grabbing), teils wird den Arbeitern ein so niedriger Lohn gezahlt, dass er nicht ausreicht, um damit das Einkommen zu sichern.

Neue Plantagen werden in der Regel auf gerodeten Flächen angelegt, auf denen zuvor Regenwald gewachsen ist; zudem kommt es regelmäßig zu hohem Einsatz von Chemikalien. Besonders mit der Rodung von Naturwäldern wird nicht nur Kohlenstoff emittiert und gehen die Ökosystemleistungen dieser natürlichen Ökosysteme wie z.B. Kohlenstoffspeicherung, Wasserspeicherung und Erosionsschutz verloren: Wird der Wert der jährlichen Ökosystemleistungen von einem Hektar Regenwald auf über 2.700 Euro bemessen, werden die Ökosystemleistungen von einem Hektar Naturkautschuk in Monokultur dagegen auf nur etwa 430 Euro jährlich geschätzt (Hu 2008).

Auch die Artenvielfalt ist auf Monokulturplantagen stark dezidiert, zumal Naturkautschuk genau dort wächst, wo es eine besonders hohe Artendichte gibt. In einer Studie (Bennett 2009) wurden auf einer Kautschuk-Monokultur in Indonesien nur zwei Säugetierarten und drei Vogelarten gezählt. Ganz anders sieht es beim Dschungelkautschuk aus: 37 Säugetierarten, davon neun bedrohte Arten, 167 Vogelarten, von denen 28 bedrohte Arten sind.

Maßnahme

Für einen nachhaltigen Anbau von Naturkautschuk ist ein Ansatz nötig, der durch eine partizipative Landnutzungsplanung Waldschutz, Waldnutzung und landwirtschaftliche Produktion so miteinander kombiniert, dass wichtige Nachhaltigkeitsstandards eingehalten werden und entwaldungsfreie Lieferketten aus diesen Regionen gewährleistet werden können.

Analyse

Der weltweite Bedarf an Naturkautschuk nimmt weiter zu, dabei wird über 99% des Kautschuks aus dem Kautschukbaum Hevea brasiliensis gewonnen. Alternativen zum Kautschukbaum sind die Guayule-Pflanze (Parthenium argentatum) und der russische Löwenzahn (Taraxacum kok-saghyz), der Marktanteil dieser alternativen Arten ist aber trotz intensiver Forschung noch sehr gering.

Monokulturen versus Mischkultur / Agroforstwirtschaft

Der überwiegende Anteil der Kautschukbaumplantagen wird in Monokultur angebaut, sowohl von kleinbäuerlichen Betrieben als auch von großen Unternehmen. Naturkautschuk aus Monokulturen liefert zwar einen höheren Betrag pro Hektar, führt aber zu einer deutlichen Verringerung der lokalen Artenvielfalt und der Ökosystemleistungen.

In manchen Regionen von Peru und Brasilien wächst auch heute noch wilder Kautschuk in seiner natürlichen Umgebung. So kann zwar der Regenwald geschützt und zugleich wirtschaftlich genutzt werden, die Erntemengen sind aber so gering, dass sie nicht genug Ertrag abwerfen.

Als umweltfreundlich wird auch der sogenannte Dschungelkautschuk ins Spiel gebracht, der vor allem in Indonesien in Tropenwäldern zwischen andere Bäume gepflanzt wird. In einigen Gegenden wird Naturkautschuk auch in Mischkultur angebaut. dafür eignet sich z.B. sehr gut eine Kombination mit Durian (Frucht aus Südostasien), Kaffee, Maniok oder Mais.

Für viele kleinbäuerliche Betriebe ist der Anbau in Mischkultur aufgrund benötigter komplexerer Kenntnisse mit den verschiedenen Produkten und Absatzbedingungen noch mit hohen Hindernissen verbunden. Daher ist es wichtig, Kleinbäuerinnen und -bauern in ihren Kompetenzen zu stärken, den Anbauprozess zu verbessern und die Transparenz entlang der Wertschöpfungskette zu erhöhen.

Rückverfolgbarkeit – Transparenz der Lieferketten

Kautschuk ist eines der in der EU-Verordnung gegen Entwaldung (EUDR) aufgeführten Produkte. EU-Unternehmen dürfen demnach keinen Kautschuk importieren, der auf Flächen produziert wird, die nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet wurden. Die Unternehmen sind verpflichtet, den Ursprung der Kautschukprodukte bis zu den Flächen, auf denen sie erzeugt wurden, nachzuverfolgen. Ebenso müssen der Kautschuk und seine Erzeugnisse im Einklang stehen mit den Gesetzen des Ursprungslands und unter Einhaltung der elementaren Menschenrechten produziert worden sein.

Verbraucherinnen und Verbrauchern ist meist nicht klar, unter welchen Umständen Alltagsprodukte aus Naturgummi entstehen. Der Ursprung von Kautschukprodukten muss für VerbraucherInnen transparenter und nachverfolgbar werden. Die Reduktion des Verbrauchs von Primärkautschuk sowie der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft wäre ein wichtiger Beitrag, die sozialen und ökologischen Risiken des Kautschukabbaus zu reduzieren.

Naturkautschukproduzierende Länder. Eigene Darstellung nach FAOSTAT 2018 und Statista Research Department 2023.

Fazit

Angesichts der weiter steigenden Nachfrage nach Naturkautschuk und bisher noch nicht ausreichend vorhandenen Alternativprodukten müssen die komplexen Herausforderungen im Kautschukanbau von den verschiedenen Stakeholdergruppen adressiert werden. Um eine nachhaltige Zukunft zu sichern, müssen alle Akteure der Kautschukindustrie einen Wandel hin zur Agroforstwirtschaft vollziehen: Der Beitrag der Industrieakteure, insbesondere der großen Reifenhersteller ist entscheidend für die Entwicklung der Agroforst-Wertschöpfungskette, während die Beiträge der Kleinbauern und -bäuerinnen vor Ort, der Kautschukplantagen-Unternehmen bis hin zu Regierungsbehörden, Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen notwendig sind, einen effektiven und gerechten Übergang von Monokulturen zu diversifizierten Kautschukanbausystemen zu gewährleisten. Am Ende dieses Wandels steht ein weitaus nachhaltigerer und widerstandsfähigerer Kautschuksektor für alle beteiligten Stakeholder.

Referenzen

Bennett, Mica (2009): Eco-certification of jungle rubber: promise and realization, BioECON Conference.

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2021): Nachhaltige Agrarlieferketten: Armut beenden, Ernährung sichern, Klima schützen, Globalisierung gerecht gestalten.

Hu, H., Liu, W., Cao, M. (2008): Impact of land use and land cover changes on ecosystem services in Menglun, Xishuangbanna, Southwest China. In: Environmental Monitoring and Assessment 146.2008, S. 147-156.

Rubber Agroforestry: Feasibility at Scale. Wang Mei Hua, Maria; Warren-Thomas, Eleanor; Cherico Wanger, Thomas. Mighty Earth, 2021. 130 S.

Südwind e.V. und Global Nature Fund (2019): Naturkautschuk in der Lieferkette: Wie Unternehmen Nachhaltigkeitsprobleme erkennen und lösen können.

Warren-Thomas, E., Dolman, P. M. and Edwards, D. P. (2015) Increasing Demand for Natural Rubber Necessitates a Robust Sustainability Initiative to Mitigate Impacts on Tropical Biodiversity’, Conservation Letters, 8(4), S. 230–241.

Über dieses Projekt

Natur ist unser Kapital ist eine Kampagne, um den Wert unseres Kapitals Natur anhand der Aufbereitung von Fallbeispielen aus Wissenschaft und Praxis sichtbar zu machen. Intakte und funktionsfähige Ökosysteme und ihre Leistungen bilden die Existenzgrundlage unseres Lebens. Dennoch wird der Wert dieses Kapitals nicht ausreichend in öffentlichen und privaten Entscheidungen berücksichtigt.

Unsere Art und Weise des Wirtschaftens und Konsumierens führt zu einer Überlastung der Natur. Das beeinträchtigt die Bereitstellung viele ihrer Leistungen und bedroht unsere Gesundheit, Lebensqualität und unser Wohlbefinden. Die Natur ist aus ökonomischer Sicht ein notwendiger Kapitalbestand, den wir erhalten und wiederherstellen müssen.

Nicht die Natur braucht uns, sondern wir brauchen die Natur und ihre Leistungen!

Top