Fallbeispiel

Sicherung des Naturkapitals als Risikovorsorge im Finanzsektor

Finanzinstitute können durch die Aktivitäten der von ihnen finanzierten Unternehmen indirekt die Erhaltung der biologischen Vielfalt fördern und damit wesentliche Risiken ihrer Investments verringern. Der Verlust der biologischen Vielfalt beeinträchtigt die Bereitstellung von Ökosystemleistungen, von denen viele Unternehmen abhängen. Das bedeutet wiederum Risiken für die Finanzinstitute, die solche Unternehmen finanzieren. Studien zeigen, in welchem Umfang Finanzinstitute Risiken aus dem Verlust von Artenvielfalt ausgesetzt sind und welche Möglichkeiten bestehen, den Verlust des Naturkapitals und der damit verbundenen Finanzierungsrisiken systematisch zu erfassen.

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Problemstellung

Der Verlust der biologischen Vielfalt gilt als eines der größten Risiken für Gesellschaft und Wirtschaft. Er gefährdet die Bereitstellung der für die Wirtschaft wichtigen Ökosystemleistungen wie die Bestäubung von Pflanzen, die natürliche Wasseraufbereitung und die Fruchtbarkeit der Böden. Angesichts dieser wirtschaftlichen Auswirkungen ist es wichtig, dass die von Ökosystemleistungen abhängigen Unternehmen selbst, aber auch die sie finanzierenden Institutionen Risiken aus dem Verlust von Naturkapital erkennen und vermeiden.

Maßnahme

Um Risiken aus dem Verlust von Naturkapital rechtzeitig erkennen, analysieren und vermeiden zu können, müssen Finanzinstitute zunächst verstehen, wie sich die von ihnen finanzierten Unternehmensmodelle auf die biologische Vielfalt auswirken und welche Risiken für den langfristigen Erfolg der Finanzierung damit einhergehen. De Nederlandsche Bank (DNB) und die Niederländische Agentur für Umweltverträglichkeitsprüfung (Planbureau voor de Leefomgeving – PBL) haben für den Niederländischen Finanzsektor in einer beispielgebenden Studie ausgewählte Risiken quantifiziert (van Toor et al., 2020).

Analyse

Finanzinstitute sind physischen Risiken ausgesetzt, wenn sie wirtschaftliche Aktivitäten finanzieren, die von Ökosystemleistungen abhängen. Ein Rückgang dieser Ökosystemleistungen kann das finanzierte Geschäftsmodell gefährden und damit das Ausfallrisiko von Krediten erhöhen. Niederländische Finanzinstitute haben weltweit 510 Mrd. EUR für Unternehmen zur Verfügung gestellt, die stark oder sehr stark von mindestens einer Ökosystemleistung abhängig sind. Allein 28 Mrd. Euro des vom Finanzsektor bereitgestellten Kapitals gingen an Unternehmen, deren Produkte von der Bestäubung durch Insekten abhängen (van Toor et al., 2020).

Finanzinstitute sind zudem Reputationsrisiken ausgesetzt, wenn von durch sie finanzierten Unternehmen negative Wirkungen auf die biologische Vielfalt ausgehen. Der niederländische Finanzsektor finanziert weltweit mit 96 Mrd. EUR Unternehmen mit hohen negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt. Zusätzlich gehen weitere rund 100 Mrd. Euro an Unternehmen mit einem erhöhten Reputationsrisiko aufgrund von Aktivitäten im Zusammenhang mit Abholzung (van Toor et al., 2020).

Schließlich können Übergangsrisiken für den Finanzsektor entstehen, wenn negative Auswirkungen auf die Biodiversität zu neuen politischen Maßnahmen führen oder Änderungen der Verbraucherpräferenzen bewirken. Werden z.B. wegen der anhaltend hohen Stickstoff-Emissionen in Teilen der EU, aber auch weltweit schärfere regulatorische Maßnahmen erlassen, um gesetzte Umweltziele zu erreichen, könnte das zu erheblichen Übergangsrisiken für die drei großen Niederländischen Banken führen, die derzeit Kredite in Höhe von 81 Mrd. Euro an Unternehmen in Sektoren mit stickstoffemittierenden Aktivitäten vergeben haben. Auch die Expansion von Naturschutzgebieten zur Erreichung der globalen Ziele zum Schutz der biologischen Vielfalt kann Geschäftsaktivitäten beschränken und Finanzierungsrisiken implizieren. Finanzinstitute in den Niederlanden haben knapp 30 Mrd. Euro an Unternehmen vergeben, die in Gebieten tätig sind, die geschützt sind oder die zukünftig geschützt werden könnten. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf die Risikoprofile der dort tätigen Unternehmen haben, wenn sich deren Geschäftsmodelle nicht mit den Naturschutzbemühungen vereinbaren lassen (van Toor et al., 2020).

Es wird deutlich, dass der Finanzsektor ein vitales Eigeninteresse hat, Unternehmensmodelle zu finanzieren, die das Naturkapital nachhaltig nutzen und langfristig erhalten. Mögliche Risiken aus dem Rückgang des Naturkapitals und die Auswirkungen der finanzierten Geschäftsmodelle auf die biologische Vielfalt können Kriterien für die Bewertung der Bonität von Unternehmen und für die Vergabe von Krediten sein. Kapitalgeber mit ausgeprägt langfristigen Anlagestrategien, wie z.B. Pensionskassen und Versicherer, sollten in besonderer Weise die langfristigen Auswirkungen ihrer Investments überprüfen. Dazu stehen verschiedene Tools, wie z.B. das Natural Capital Protocol (2016) zur Verfügung (siehe Link unten).

Fazit

Die Studie von van Toor et al. (2020) zeigt, wie wichtig es ist, dass Finanzinstitute verstehen, inwieweit sich die von ihnen finanzierten Geschäftsmodelle auf die biologische Vielfalt auswirken und welche Risiken dies für ihre Investments zur Folge hat. Mit Krediten und Investitionen in Höhe von insgesamt über 4.000 Mrd. Euro haben Finanzinstitute darüber hinaus das Potenzial, einen positiven Beitrag zur Erreichung eines nachhaltigen Wohlstands durch die Erhaltung und nachhaltige Nutzung des Naturkapitals zu leisten (van Toor et al., 2020). Die Politik spielt dabei eine wichtige Rolle: über die Festlegung von Standards für die Identifikation, Analyse und Berücksichtigung von biodiversitätsbezogenen Risiken bei der Kreditvergabe und der unternehmerischen Berichtserstattung kann ein verlässlicher und ggf. international harmonisierter Entscheidungsrahmen für die Akteure im Finanzsektor geschaffen werden.

Referenzen

Natural Capital Coalition (2016): “Natural Capital Protocol”. (Online) Verfügbar unter: https://capitalscoalition.org/capitals-approach/natural-capital-protocol/?fwp_filter_tabs=guide_supplement

van Toor, J., Piljic,D., und Schellekens, G. (2020): Indebted to nature. Exploring biodiversity risks for the Dutch financial sector. De Nederlandsche Bank (DNB) und Planbureau voor de Leefomgeving.

Über dieses Projekt

Natur ist unser Kapital ist eine Kampagne, um den Wert unseres Kapitals Natur anhand der Aufbereitung von Fallbeispielen aus Wissenschaft und Praxis sichtbar zu machen. Intakte und funktionsfähige Ökosysteme und ihre Leistungen bilden die Existenzgrundlage unseres Lebens. Dennoch wird der Wert dieses Kapitals nicht ausreichend in öffentlichen und privaten Entscheidungen berücksichtigt.

Unsere Art und Weise des Wirtschaftens und Konsumierens führt zu einer Überlastung der Natur. Das beeinträchtigt die Bereitstellung viele ihrer Leistungen und bedroht unsere Gesundheit, Lebensqualität und unser Wohlbefinden. Die Natur ist aus ökonomischer Sicht ein notwendiger Kapitalbestand, den wir erhalten und wiederherstellen müssen.

Nicht die Natur braucht uns, sondern wir brauchen die Natur und ihre Leistungen!

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