Fallbeispiel

Stickstoffüberschüsse: Umweltbelastung und Kostentreiber der Trinkwasserbereitstellung

Die hohen Stickstoffbelastungen in Deutschland, die vor allem in Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Düngung entstehen, führen zu Umweltschäden und belasten die menschliche Gesundheit. Die gesellschaftlichen Kosten dieser Stickstoffüberschüsse übersteigen oft den Nutzen einer erhöhten landwirtschaftlichen Produktion. Die Folgen betreffen auch die Wasserwirtschaft: Für Wasserversorger ist es zum Beispiel kostengünstiger, Zahlungen an landwirtschaftliche Betriebe zu leisten, damit diese weniger Stickstoff in die Natur eintragen, als stärker belastetes Rohwasser aufzubereiten (TEEB DE, 2017).

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Problemstellung

Übermäßige Stickstoffeinträge in Luft, Böden und Gewässer führen zu einer Belastung des Grundwassers mit der Folge erhöhter Kosten für die Trinkwasseraufbereitung, zu einem Rückgang der biologischen Vielfalt und einer Belastung der Meere. Darüber hinaus sind Stickstoffverbindungen unmittelbar schädlich für die menschliche Gesundheit: z. B. als Ammoniak bei der Bildung von Feinstaub, als Stickoxide bei der Bildung bodennahen Ozons, als Nitratrückstände in Nahrungsmitteln oder als kanzerogene (Krebs erzeugende) Nitrosamine (SRU, 2015).

In Deutschland ist die Landwirtschaft für knapp 80 % der Stickstoffeinträge in die Oberflächengewässer und für mehr als 50 % der Stickstoffemissionen in die Luft verantwortlich (SRU, 2015). Insgesamt ist die Nitratbelastung des Grundwassers in Deutschland weiterhin zu hoch. 50 mg/l Nitrat sind das Qualitätsziel der Wasserrahmenrichtlinie. Dieser Wert wird im Grundwasser der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung aller Nutzungen (Landwirtschaft, Wald, Siedlung) an 17,3 % der Messstellen überschritten. Die Belastungsschwerpunkte mit Messstellen über 50 mg/l Nitrat treten dabei überwiegend unter landwirtschaftlicher Flächennutzung auf (BMU und BMEL, 2020).

Eutrophierung ist weiterhin eines der größten ökologischen Probleme für die Meeresumwelt der Ostsee. Die Anreicherung mit Nährstoffen und organischem Material über direkte Einleitungen in Flüsse und Luft führt zu unerwünschten Effekten wie Algenmassenentwicklungen, einem veränderten Artenspektrum sowie Sauerstoffdefiziten. Die EU-Kommission hat im Jahre 2017 gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelnder Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie eingeleitet. Um die Wirksamkeit zur Reduzierung der Gewässerbelastung und der Eutrophierungsgefährdung zu verbessern, wurde die Düngeverordnung (DüV) überarbeitet. Diese ist seit Mai 2020 in Kraft (BMU und BMEL, 2020).

Maßnahme

Statt aufwendig nachträglich Reinigungstechnik zu installieren und zu unterhalten, werden – in Ergänzung und zur Umsetzung der oft bestehenden wasserschutzrechtlichen Auflagen – Flächen durch den Wasserversorger gepachtet oder freiwillige Vereinbarungen zwischen Wasserversorgern und Landwirten über Bewirtschaftungsformen abgeschlossen, die die Nitrateinträge mindern.

Analyse

Der Einsatz synthetischer Stickstoffdünger in der Europäischen Union führt zu einem zusätzlichen Nettoertrag in der Landwirtschaft (Mehrertrag abzüglich Kosten), der auf 20 – 80 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt wird. Die gesellschaftlichen Kosten durch gesundheitliche Schäden, Klimaschäden und Schäden an Ökosystemen (u. a. Gewässer, Meere und andere empfindliche Ökosysteme) werden mit 20 – 150 Mrd. Euro beziffert (Brink et al., 2011).

Da die Nitratüberschüsse in Deutschland deutlich höher sind als im Durchschnitt der EU und üblicherweise mit fallenden Zusatzerträgen und steigenden Schadenskosten zu rechnen ist, dürfte das Kosten-Nutzen-Verhältnis der hohen deutschen Überschüsse noch deutlicher negativ ausfallen. Zu hohe Nitratkonzentrationen im Grundwasser steigern die Kosten der Trinkwasseraufbereitung. Die notwendige Aufbereitung nitratbelasteten Grundwassers kann zwischen 55 und 76 Cent je m³ kosten, was bei einem Einfamilienhaushalt die Wasserrechnung um 32 – 45 % erhöhen kann (UBA, 2017).

Für Leipzig wurde errechnet, dass die Minderung der Nitratkonzentration durch Umstellung der Flächenbewirtschaftung im Anstrombereich der Brunnen auf gewässerschonende Verfahren, z. B. ökologischen Landbau (siehe Grafik), etwa siebenmal kostengünstiger ist als die technische Aufbereitung belasteten Rohwassers. In Gegenden mit großflächig intensiver Viehhaltung sind weitergehende Maßnahmen nötig.

Die Kosten der Trinkwasseraufbereitung sinken erheblich durch eine Minderung der Stickstoffeinträge in der Landwirtschaft. Statt aufwendig nachträglich Reinigungstechnik zu installieren und zu unterhalten, werden – in Ergänzung und zur Umsetzung der oft bestehenden wasserschutzrechtlichen Auflagen – Flächen durch den Wasserversorger gepachtet oder freiwillige Vereinbarungen zwischen Wasserversorgern und Landwirten über Bewirtschaftungsformen abgeschlossen, die die Nitrateinträge mindern. Für die Landwirte bieten diese Programme finanzielle Kompensation für mögliche Ertragseinbußen, für die Wasserversorger bedeuten sie Kosteneinsparungen, die an den Kunden weitergegeben werden können.

Als weitere Maßnahmen sind die Etablierung von Gewässerrandstreifen an Fließgewässern mit absolutem Bewirtschaftungs- bzw. Düngeverbot sowie Verbesserungen in der Fruchtfolge und bei der Düngemittelverwendung zu empfehlen. Auch vorrangig zum Schutz und zur Entwicklung von Lebensräumen für gefährdete Arten und zur Umsetzung des europäischen Netzwerks Natura 2000 durchgeführte Maßnahmen haben oft positive Wirkungen für den Gewässerschutz (TEEB DE, 2016).

Analysedaten zur Nitratkonzentration in mg/l aus Wasserproben von Messbrunnen mit Grundwasserstrom aus unterschiedlicher Landnutzung. Eigene Darstellung nach Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH, Jäger (2012) und TEEB DE (2016)

Fazit

Ein Übergang hin zu einer stickstoffärmeren Landwirtschaft lohnt sich. Statt nachträglich Kosten der Trinkwasseraufbereitung zu bezahlen, können Wasserversorger Landwirte für die Minderung von Nitrateinträgen bezahlen. Landwirte werden so für mögliche Ertragseinbußen finanziell kompensiert und die Kosteneinsparungen der Wasserversorger können auch an die Kunden weitergegeben werden.

Referenzen

Brink, C. et al. (2011): Costs and benefits of nitrogen in the environment, in: Sutton, M. A. et al. (Hg.), The European Nitrogen Assessment: Sources, Effects and Policy Perspectives. Cambridge University Press, Cambridge, 513 – 540.

Bundesregierung (2017): Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie: Neuauflage 2016. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Berlin.

BMU und BMEL (2020): Nitratbericht 2020. Gemeinsamer Bericht der Bundesministerien für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie für Ernährung und Landwirtschaft

Eurostat (2016): Agriculture, forestry and fishery statistics – 2016 edition. European Union, Luxemburg.

Jäger (2012): Vorsorge in der Landnutzung bei der KWL – Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH: Ökologischer Landbau und Begrenzung der Nährstoffflüsse für den Wasserschutz. Vortrag auf dem Seminar der Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz (NNA) in Schneverdingen Renaturierungsmaßnahmen im Kontext der Wasserrahmenrichtlinie«, Schneverdingen.

SRU – Sachverständigenrat für Umweltfragen (2015): Stickstoff: Lösungsstrategien fü r ein drängendes Umweltproblem. Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen. SRU, Berlin.

UBA – Umweltbundesamt (2017): Quantifizierung der landwirtschaftlich verursachten Kosten zur Sicherung der Trinkwasserbereitstellung. UBA, Dessau-Roßlau, Mühlheim Ruhr.

Naturkapital Deutschland – TEEB DE (2016): Ökosystemleistungen in ländlichen Räumen – Grundlage für menschliches Wohlergehen und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Schlussfolgerungen für Entscheidungsträger. Leibniz-Universität Hannover, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Hannover, Leipzig.

Naturkapital Deutschland – TEEB DE (2017): Fallbeispiel Stickstoffüberschüsse. In: Naturkapital Deutschland – TEEB DE: Neue Handlungsoptionen ergreifen – Eine Synthese. Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Leipzig.

Über dieses Projekt

Natur ist unser Kapital ist eine Kampagne, um den Wert unseres Kapitals Natur anhand der Aufbereitung von Fallbeispielen aus Wissenschaft und Praxis sichtbar zu machen. Intakte und funktionsfähige Ökosysteme und ihre Leistungen bilden die Existenzgrundlage unseres Lebens. Dennoch wird der Wert dieses Kapitals nicht ausreichend in öffentlichen und privaten Entscheidungen berücksichtigt.

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