Fallbeispiel

Waldleistungen in Deutschland: Rohholz, globaler Klimaschutz, Erholung und Naturschutz

Ein staatlicher Eingriff, um die Leistungen des Waldes zu fördern, ist gerechtfertigt, wenn die Waldbewirtschaftung dazu führt, dass die Ökosystemleistungen des Waldes nicht in erwünschter Menge und/oder Qualität bereitgestellt werden. Die Gestaltung solcher wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sollte dabei auch für Waldbesitzer und privatwirtschaftliche Initiativen lohnend sein, damit sie die gewünschten Leistungen bereitstellen (Elsasser et al., 2020).

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Problemstellung

Staatliche Eingriffe in den Markt sind in einer sozialen Marktwirtschaft legitimierbar, wenn der Wettbewerb allein nicht zu sozial erwünschten Ergebnissen führt. Der Nutzen aller Ökosystemleistungen des Waldes ist weitaus höher als die in Marktpreisen bewertete Holzproduktion allein. Private wie auch öffentliche Forstbetriebe profitieren allerdings hauptsächlich von der Produktion von Rohholz, wohingegen die weiteren Ökosystemleistungen des Waldes oft nicht in Marktpreisen wertgeschätzt werden. Sie sind im ökonomischen Sinn »öffentliche Güter«, was dazu führt, dass den Waldbesitzern Einkommensmöglichkeiten fehlen sowie die damit verbundenen Anreize, solche Leistungen gezielt bereitzustellen. Dazu gehören beispielsweise Leistungen wie der Klimaschutz durch die Speicherung von Kohlenstoff, der Schutz der biologischen Vielfalt, aber auch kulturelle Leistungen, da Wälder für viele Menschen wichtige Orte für Erholung und Inspiration sind.

Maßnahme

Einrichtung von Schutzgebieten.

Analyse

Die Studie von Elsasser et al. (2020) zeigt den regional verteilten ökonomischen Nutzen wesentlicher Ökosystemleistungen des Waldes in Deutschland und untersucht dabei Szenarien alternativer Waldbehandlungen. Analysiert werden die Leistungen für die Rohholzproduktion, für den globalen Klimaschutz, für die Erholung der Bevölkerung im Alltag sowie Leistungen für Naturschutz und Landespflege. Dieser monetär bewertete Nutzen, den die einzelnen Ökosystemleistungen des Waldes für Individuen und Gesellschaft bewirken, bildet die Nachfrage nach diesen Ökosystemleistungen ab und sollte daher in einem Honorierungssystem integriert werden (Elsasser et al., 2020).

Zur Bewertung der Rohholzproduktion wird das jährliche Brutto-Erlöspotential in den Gemeinden ermittelt. Summiert über alle Gemeinden Deutschlands beträgt das jährliche Brutto-Erlöspotential nach Status Quo 7,1 Mrd. € pro Jahr. Regionale Schwerpunkte finden sich vor allem in den Mittelgebirgen, die durch ertragsstarke Baumarten geprägt sind, und im waldreichen Nordosten Deutschlands.

Die Bewertung der globalen Klimaschutzleistung erfolgt anhand der jährlichen Sequestrierung von Kohlenstoff. Diese Leistung wird über den sog. Derbholzzuwachs quantifiziert. Die Nettoänderung des Waldspeichers ergibt sich aus der Differenz zwischen jährlichem Zuwachs und jährlicher Holznutzung. Hierbei werden die Marktpreise aus dem Europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS) benutzt. In der Summe beträgt der jährliche Nutzen der Klimaschutzleistung der deutschen Wälder auf Basis des Netto-Zuwachses derzeit 2,1 Mrd. € pro Jahr. Die regionalen Schwerpunkte verteilen sich ähnlich wie bei der Rohholzproduktion.

Die Erholungsleistung im Wohnumfeld wird in der Studie von Elsasser & Weller (2013) anhand der Zahlungsbereitschaft in den Gemeinden ermittelt. Es ergibt sich eine durchschnittliche individuelle Zahlungsbereitschaft von knapp 30 € pro Jahr; hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung sind dies zwischen 2,0 und 2,4 Mrd. €/a. Im Ergebnis zeigt sich ein regionales Verteilungsmuster, das sich deutlich von dem der Rohholzproduktion und der Klimaschutzleistung unterscheidet: Hohe Erholungsleistungen finden sich vor allem in größeren Städten und in deren Umfeld, da hier die Nachfrage aufgrund hoher Bevölkerungsdichten groß ist, sowie in Gebieten mit geringer Walddichte, da hier das Angebot an Walderholung knapp ist.

Biodiversität selbst ist keine Ökosystemleistung im eigentlichen Sinne – sie wird vielmehr als Voraussetzung für Ökosystemleistungen und für das Leben betrachtet. Zur Bewertung der Artenvielfalt im Wald wird der Biodiversitätsindikator der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie herangezogen. Eine vollständige Wiederherstellung der Artenvielfalt im Wald, wie sie in einer vermuteten Vergangenheit vorgelegen haben mag, erbrächte insgesamt einen Nutzen von 900 Mio. € pro Jahr. Besonders hoch wären die Zugewinne im Norden und Westen der Republik sowie entlang der Achse Dresden-Magdeburg.
Ein Szenario zur Ausweisung weiterer 2,5 % der Waldfläche als Schutzgebiet gibt eine Orientierung über den Nutzen, der mit dieser Maßnahme in etwa erreicht werden kann: Würden 322 Schutzgebiete zu je 1.000 ha Gesamtfläche möglichst regelmäßig über Deutschland verteilt, wäre damit ein Nutzengewinn von insgesamt 1,6 Mrd. € pro Jahr möglich; ihm stünden Verluste an Rohholzproduktion in Höhe von 176 Mio. € jährlich gegenüber. Annahme ist hier, dass die Gebiete weiterhin betreten werden könnten und keine Eingriffe in die existierende Baumartenzusammensetzung stattfänden.

Fazit

Elsasser et al. (2020) empfehlen die Ökosystemleistungen der deutschen Wälder in ein bundesweites Honorierungssystem zu integrieren, um substanzielle Anreize für die Forstbetriebe zu schaffen, diese aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit auch zu vergrößern. Die Ausweitung von Schutzgebieten um etwa 2,5 % der Waldfläche würde eine Steigerung der Nutzen bewirken, wenn diese Flächen geeignet über das Bundesgebiet verteilt werden – auch wenn dieser Ausweitung Verluste an Rohholzproduktion gegenüberstehen, die etwa proportional zur entsprechenden Waldfläche sind. Es würden insbesondere diejenigen Regionen von der Wiederherstellung der ursprünglichen Artenvielfalt profitieren, die von heute niedriger Vielfalt und/oder von hoher Bevölkerungsdichte geprägt sind.

Referenzen

Elsasser, Peter; Altenbrunn, Kerstin; Köthke, Margret; Lorenz, Martin; Meyerhoff, Jürgen (2020): Regionalisierte Bewertung der Waldleistungen in Deutschland, Thünen Report, No. 79, ISBN 978-3-86576-214-6, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Braunschweig.

Elsasser, P. und Weller, P. (2013): Aktuelle und potentielle Erholungsleistung der Wälder in Deutschland: Monetärer Nutzen der Erholung im Wald aus Sicht der Bevölkerung. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung 184 (3/4), S. 83-95.

Über dieses Projekt

Natur ist unser Kapital ist eine Kampagne, um den Wert unseres Kapitals Natur anhand der Aufbereitung von Fallbeispielen aus Wissenschaft und Praxis sichtbar zu machen. Intakte und funktionsfähige Ökosysteme und ihre Leistungen bilden die Existenzgrundlage unseres Lebens. Dennoch wird der Wert dieses Kapitals nicht ausreichend in öffentlichen und privaten Entscheidungen berücksichtigt.

Unsere Art und Weise des Wirtschaftens und Konsumierens führt zu einer Überlastung der Natur. Das beeinträchtigt die Bereitstellung viele ihrer Leistungen und bedroht unsere Gesundheit, Lebensqualität und unser Wohlbefinden. Die Natur ist aus ökonomischer Sicht ein notwendiger Kapitalbestand, den wir erhalten und wiederherstellen müssen.

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