Neue Formen der Wirtschaftsberichterstattung – ein Hebel für höhere Wertschätzung von Biodiversität und Ökosystemleistungen
Eine erweiterte Aufnahme von Biodiversität und Leistungen der Natur in wirtschaftliche und Wohlfahrtsberichterstattungen stellt einen grundlegenden Beitrag zu einer sozial-ökologischen Transformation dar. Über lange Jahre spielten hier weder Umweltschäden noch die positiven Beiträge der Natur zur unternehmerischen Entwicklung und dem gesellschaftlichen Wohlergehen eine systematische Rolle. Jenseits von vielen Forschungsprojekten zu einzelnen „Real-Laboren“, bei denen es um regionale oder lokale Verbesserungsstrategien zur Biodiversität geht und bei denen das gegenseitige Lernen von Wissenschaft und Zivilgesellschaft in einem jeweils experimentellen Umfeld im Vordergrund steht, wird etwa im Forschungsprojekt „Wertschätzung von Biodiversität – zur Modernisierung der Wirtschaftsberichterstattung in Deutschland (Bio-Mo-D https://bio-mo-d.ioer.info/), das im Rahmen der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und Bildung (BMBF) gefördert wird, auf einer strukturellen Ebene gesellschaftlicher Informationsgrundlagen gearbeitet, um bei einer Vielfalt an Akteuren die Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Die Deutsche Umwelthilfe bedankt sich bei Karsten Grunewald, Leibniz Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), und Roland Zieschank, Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT), sehr für die Zusammenstellung des Fallbeispiels.
Naturberichterstattung gerät zunehmend in den Fokus auch gesellschaftlicher Transformationsprozesse
Seien es die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, die Jahreswirtschaftsberichte der Bundesregierung, die Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung oder aber der ganz überwiegende Teil makroökonomischer Modellierungen – sie alle kamen bislang weitgehend ohne Einbeziehung von Ökosystemen und deren Leistungen für die Gesellschaft aus. Gemeint sind nicht die klassischen Ressourcen oder Rohstoffe, sondern ökologische Funktionen respektive Leistungen [1].
Schon das Millennium Ecosystem Assessment vor 20 Jahren [2] hatte aufgezeigt, dass es unseren Ökosystemen so schlecht geht, dass es ein Risiko darstellt – nicht nur aus Naturschutzsicht, sondern auch für die Wirtschaft. Nunmehr bringen aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, sowie geplante bzw. bereits beschlossene Regulierungen auf internationaler Ebene eine neue Dynamik in die ökologische Erweiterung staatlicher und privater Bilanzierungen [3], wie im Folgenden erläutert wird. Treiber der Modernisierung von nationaler und betrieblicher Wirtschaftsberichterstattung sind vor allem alternative Wachstums- und Wohlstands-Diskurse (Stichwort „Beyond GDP“), Biodiversitätsstrategien von internationalen Akteuren bzw. Institutionen (Stichwort „Global Biodiversity Framework“), genuine Weiterentwicklungen innerhalb der Fachcommunity der Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (Stichwort SEEA-EA) und Impulse im Bereich unternehmerischer Nachhaltigkeits-Berichterstattung, sei es durch einzelne Vorreiter oder EU-Vorgaben (Stichwort Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD).
Neue Dynamik auf nationaler Ebene in Deutschland
In den letzten Jahren gewinnt das Thema einer Berücksichtigung von Werten der Natur und auch der Biodiversität im Wirtschaftsbereich in Deutschland an Fahrt, teils jedoch noch zu wenig erkannt von Akteuren im Bereich Naturschutz. Seit März 2021 liegt ein internationales Rahmenwerk zum Ökosystem-Accounting vor: Das statistische Komitee der UN verabschiedete das SEEA-EA, das System of Environmental-Economic Accounting-Ecosystem Accounting [4]. Dieses System stellt einen international abgestimmten statistischen Rahmen dar für die Datenhaltung über Lebensräume und Landschaften und ihre Verknüpfung mit der wirtschaftlichen Aktivität in Form von vier Konten zu i) Ausdehnung von Ökosystemen, ii) deren Zuständen, iii) Leistungen und iv) Wertbeständen. In diesem Kontext werden nun vor allem auch Erwartungen an die Ökosystemgesamtrechnungen im Rahmen der Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (UGR) in Deutschland geknüpft. Seitens des Statistischen Bundesamtes (Destatis) liegen inzwischen erste Ergebnisse zum Ausmaß und Zustand der Ökosysteme gemäß SEEA-EA in physischen Einheiten vor („Ökosystematlas Deutschland“, [5]). Destatis arbeitet seit mehreren Jahren an sogenannten Umweltnutzer- und Umweltschutzkonten im Rahmen der „Environmental-Economic Accounts“ (UGR – Umweltökonomische Gesamtrechnungen) und SEEA-EA 2021.
2022 veröffentlichte Deutschland das erste Pilotprojekt für Ökosystemleistungen auf nationaler Ebene [6]. Aktuelle Projekte des Bundesamts für Naturschutz (BfN) – gefördert durch Mittel des Bundesministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUKN) – [7] basieren auf den SEEA-Rahmenwerken und konzentrieren sich u. a. auf die Leistungen von Wäldern, Böden und Gewässern. Diese Ergebnisse haben das Potenzial, flächenübergreifend Aussagen für die Wirtschaftspolitik, auch im Sinne von Investitionen in das Naturvermögen, zu bieten.
Ende 2022 unterstrichen die Vertragsstaaten der Convention on Biological Diversity (CBD) ein ähnliches Anliegen. In Ziel 14 des verabschiedeten Global Biodiversity Frameworks wird die volle, wenn auch nicht verpflichtende Integration von Biodiversität und ihrer vielfältigen Werte in die nationale Berichterstattung angestrebt [8]. Im Dezember 2024 wurde nun auf Beschluss des Bundeskabinetts auch endlich die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt 2030 (NBS 2030) verabschiedet, die u.a. das Handlungsfeld 16 „Wirtschaft, Finanzströme und Konsum“ beinhaltet [9].
Laut Jahreswirtschaftsbericht (JWB) der Bundesregierung 2022 ist es das Ziel, „anhand geeigneter Wohlfahrtsindikatoren den Orientierungsrahmen für unser Wirtschaftswachstum zur Sicherung von Nachhaltigkeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt im politischen Prozess zu präzisieren und zu aktualisieren und dabei den Naturverbrauch zuverlässig zu begrenzen und vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln [10]. Im JWB 2023 „gibt es erstmals einheitliche Indikatoren in einem Monitoring-Rahmen, eine gestärkte Berichterstattung und Bilanzierung“ [11]. Solche Indikatoren sind beispielsweise der tägliche Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche in ha oder auch der Anteil der Messstellen, an denen die Grenzwerte für Nitrat im Jahresmittel eingehalten werden. Diese beiden Beispiele sind durchaus als Ansatzpunkt für eine Integration von Indikatoren zur Biodiversität sowie zu Ökosystemen und deren Leistungen in gesellschaftliche Berichtssysteme, zu einem erweiterten Verständnis volkwirtschaftlichen Wohlstands sowie zu statistischen Innovationen zu sehen.
2024 wurde der Biodiversitätsindikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ in den JWB neu aufgenommen sowie dem Thema das eigene Kapitel „Biodiversität, Bodenfunktionen und Wasserressourcen” gewidmet [12]. Dieses Kapitel weist u.a. auf die Notwendigkeit hin, dass hinsichtlich der Entwicklung der Biodiversität und der damit verbundenen Effekte valide Daten benötigt werden. In diesem Zusammenhang zielt das Ende 2025 auslaufende Projekt „Biodiversitätsfreundliches Wirtschaftswachstum“ des Bundesamts für Naturschutz (BfN) – gefördert durch Mittel des BMUKN – darauf ab, biodiversitätsrelevante Aspekte stärker in die volkswirtschaftliche Berichterstattung zu integrieren. Es entwickelt Empfehlungen für nachhaltige Wohlfahrtsindikatoren, die den Erhalt von Naturkapital, Ökosystemleistungen und Naturnutzung berücksichtigen, und leistet so einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung nationaler und internationaler Biodiversitätsstrategien, wie dem Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework. [13] Im 2024 erschienenen „Faktencheck Artenvielfalt“ widmet sich ein ganzer Themenbereich dem „Transformationspotenzial zum Erhalt der biologischen Vielfalt“ [14]. Für das notwendige weitreichende Umdenken liefert dieses Kapitel des Faktenchecks Empfehlungen, denn es wurden erfolgreiche Projekte analysiert, um die Bedingungen für Transformation zu verstehen. „Ökonomischer Nutzen“ im Sinne der Beiträge der Natur für den Menschen (ÖSL-Konzept) wurde dabei als ein entscheidender Faktor im Rahmen sozial-ökologischer Transformationsansätze identifiziert.
Neues Regelwerk zur Nachhaltigkeitsberichterstattung: Verkennung als Chance für Unternehmen und nationale Umsetzungsmaßnahmen
Während unter dem Motto bürokratischer Entlastungen von einigen Seiten versucht wird, gleich die Nachhaltigkeitsberichterstattung insgesamt und die Verantwortung in Lieferketten auszuhebeln, haben viele Unternehmen (bspw. Swiss Re, Mitglieder der Value Balancing Alliance – VBA,) [15], wichtige Akteure im Unternehmensberatungsbereich (u. a. Boston Consulting, Capitals Coalition) und Finanzsektor (Sustainability Transition Monitor der Bertelsmann- und Mercator-Stiftung) sowie einige Zentralbanken längst erkannt, dass diese Regelwerke im Kern Lernprozesse für alle Beteiligten ermöglichen, mit den steigenden Risiken des Biodiversitätsverlustes sich intensiver auseinander zu setzen.
Unternehmen hätte die Anfang Januar 2023 in Kraft getretene europäische Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) die Chance geboten, frühzeitig wirtschaftliche Risiken durch Naturverlust zu erkennen und nachhaltigere Geschäftsmodelle zu entwickeln. Über eine solche Berichterstattung eröffnet sich im Prinzip ein Handlungsspielraum um die Gestaltung von resilienteren Lieferketten und Geschäftsmodellen voranzubringen und damit längerfristig die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und der Wirtschaft fördern. Diese Erkenntnis geht bei den Anfang 2025 erfolgten Revisionen u.a. der CSRD durch die EU-Kommission, das Europäische Parlament und den Europäischen Rat verloren. Nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU [16] werden ca. 80% aller zuvor berichtspflichtigen Unternehmen nicht mehr von der CSRD tangiert sein. Diese Entscheidung wird begründet mit einer Überlastung der Wirtschaft durch bürokratische Pflichten und hohen Kosten bei Informationsgewinnung und Berichtserstellung. – Somit hat sich eine rechtliche Ressource – auch betreffend die höhere Wertschätzung von Ökosystemen und Biodiversität – durch Verbandseinflüsse, etwa des Verbandes der Chemischen Industrie, und politische Widerstände in kurzer Zeit in eine Restriktion verwandelt. Was nun auch einige Ergebnisse des Forschungsprojektes Bio-Mo-D infrage stellt, die auf einen entsprechenden Wissenstransfer von Biodiversitätskriterien in wirtschaftliche Entscheidungsprozesse abzielten. Seit Beginn 2025 stehen die EU-Nachhaltigkeitsrichtlinien CSRD und auch die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) deutlich unter erhöhtem politischem Druck, besonders seitens konservativer und rechter Parteien. So setzt die EU -Kommission aktuell darauf, Berichterstattungen in sogenannten „Omnibus“-Verfahren [17] zusammenzuführen und damit die Berichtspflichten für Unternehmen zu vereinfachen. Auch die seit April 2025 amtierende Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Berichtspflichten stark zusammen zu kürzen und so z.B. das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auszusetzen. Wie genau die Zukunft von CSRD und CSDDD aussehen wird, ist aktuell kaum einzuschätzen.
Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen zielen darauf ab, Klarheit über den sozialen und ökologischen Fußabdruck eines Unternehmens zu gewinnen und es an Nachhaltigkeitszielen auszurichten. Viele Unternehmen haben damit begonnen, ihre Nachhaltigkeits- und Geschäftsberichte in einem integrierten Report zusammenzuführen. Auf diese Weise ergeben sich weitreichende Möglichkeiten, die Wechselwirkungen zwischen der wirtschaftlichen Leistung und dem Umgang mit den natürlichen und sozialen Ressourcen transparent herauszuarbeiten [18].
Vor allem für ihr Risikomanagement sollten Unternehmen Naturleistungen und Biodiversität als ein Kernthema der Nachhaltigkeit verstehen. Aus Abhängigkeiten von der Natur entwickeln sich Risiken, aber auch Chancen für den Aufbau eines nachhaltigeren Geschäftsmodells, das langfristig für alle Stakeholder funktioniert. Zudem helfen die Berichtsdaten bei der Steuerung der Unternehmensentwicklung. Auch der Staat kann auf diesem Weg besser überprüfen, welche der verpflichtenden Ziele zum Erhalt der Biodiversität er erreicht oder verfehlt hat.
Die VBA, hat mit den Unternehmen eine standardisierte Methodik erarbeitet [19], um ihre wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Wertbeiträge so darzustellen, dass diese mit den Leistungen anderer Unternehmen vergleichbar werden. Auf diese Weise erfahren inner- und außerbetriebliche Akteure, wo das Nachhaltigkeitsmanagement eines Unternehmens im Marktvergleich steht und auf welchen Handlungsgebieten es welchen Steuerungsbedarf gibt. Daran arbeitet u.a. das Netzwerk Unternehmen Biologische Vielfalt (UBi) [20], welches vom Bundesprogramm biologische Vielfalt gefördert wird.
Steigende Bedeutung gesellschaftlicher Informationsnachfrage
Kennziffern zum Beitrag unterschiedlicher Ökosysteme, beispielsweise zur Bindung von CO2, zu Erholung und Gesundheit, oder zur Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln (über Bestäubung), fließen nach und nach in wirtschaftliche Berichtssysteme ein. Jedoch wird zukünftig immer wichtiger, dass dann seitens verschiedener Stakeholder diese Informationen auch aufgegriffen werden und eine höhere Wertschätzung von Biodiversität sich im Handeln niederschlägt. Die Ergebnisse von Arbeiten im Forschungsbereich oder des Statistischen Bundesamtes – Stichwort „Ökosystematlas Deutschland“ – bedürfen wohl einer begleitenden Kommunikationsstrategie, welche nicht die alleinige Aufgabe des Amtes ist.
Forschungen zur Akteurslandschaft im Rahmen des Bio-Mo-D Projektes zeigen, dass ca. 350 Stakeholder im Prinzip an ÖSL-Informationen interessiert, respektive davon betroffen sein könnten. Hier eröffnen sich Chancen für „ungeahnte Allianzen“ zumindest in dem Sinne, dass Organisationen, welche bislang sich mit Biodiversität und Ökosystemleistungen intern befasst haben, nicht mehr alleinstehen, sondern wahrnehmen, dass es verbündete Interessengruppen gibt. Das Resultat könnte eine vielschichtige Nachfrage nach entsprechenden Informationen ergeben, welche in einer breiteren Öffentlichkeit zwar langsam, aber stetig wahrgenommen werden.
Exemplarisch für eine solche „ungeahnte Allianz“ kann auf folgende Organisationen verwiesen werden, die sich explizit mit einer stärkeren Berücksichtigung von Biodiversität bzw. fallweise auch Ökosystemleistungen in Entscheidungsprozessen befassen, aber noch kaum aufeinander Bezug nehmen. So setzt sich der Deutsche Verband für Landschaftspflege explizit für eine „Gemeinwohlprämie“ ein, welche bei ökologischerer Landnutzung durch die EU-Agrarpolitik honoriert werden soll. Weitere Beispiele sind forstwirtschaftliche Organisationen in Sachsen mit Interesse an Ökosystemleistungen der Wälder, ähnlich die Michael-Otto-Stiftung, aber auch die Deutsche Bundesbank, Landwirtschaftliche Rentenbank, Institutionen im Bereich Sustainable Finance, die DUH als Wissensdrehscheibe u. a. zu Ökosystemleistungen sowie Unternehmensverbände wie der Bund Nachhaltiges Wirtschaften, B.A.U.M. e.V. oder „Unternehmen Biologische Vielfalt“. Hinzu kämen eine Reihe an Medien-Initiativen, Umwelt-NGOs und Wissenschaftsorganisationen (ausführlicher in [21]).
Im Idealfall entwickelt sich hier ein neues, wissenschaftsgetriebenes Politikfeld, welches im Zusammenspiel von veränderten institutionellen Rahmenbedingungen (u.a. SEEA-EA und CSRD), einer zunehmenden Wahrnehmung von Biodiversitätsveränderungen als unternehmerisches Risiko und zugleich auf der ökonomischen Makroebene einem neuen Verständnis von Ökosystemen als Quelle gesellschaftlichen Wohlstands einen „sozialen Tipping-Point“ generiert. Damit ist gemeint, dass vergleichsweise kleine Veränderungen oder Innovationen dann sich selbst verstärkende Feedbacks auslösen, mehr und mehr gesellschaftliche Akteure sich engagieren und die umweltpolitischen Bemühungen um „biodiversitätsfreundlicheres Wirtschaften“ durch das EU-Nature Restoration Law, die neue deutsche Biodiversitätsstrategie und das Kunming-Montreal Abkommen eben doch einen größeren gesellschaftlichen Rückhalt erfahren.
Fazit
Schlussfolgerungen zur Modernisierung der Wirtschaftsberichterstattung in Deutschland [22] - Ökosysteme zu erfassen und zu bilanzieren, kann der Biodiversität eine höhere Wertschätzung verleihen. Ein Ökosystem-Accounting kann u.a. zeigen, welche Potenziale eine intakte Natur für den zukünftigen Wohlstand eines Landes bietet. - Sowohl auf nationaler als auch auf Unternehmensebene werden Berichtssysteme aufgebaut, die das Naturvermögen stärker in den Fokus nehmen. Durch das Reporting auf beiden Ebenen können Entscheidungsträger aus unterschiedlichen Politikbereichen sowie aus der Wirtschaft „mitgenommen“ werden. Es sollte aber auch ermöglichen, rechtzeitig systemische Risiken auszuweisen. - Alle Berichtsformen können nicht nur der reinen Monitoring-Funktion dienen – also der Überprüfung, ob wichtige internationale Ziele erreicht wurden –, sondern künftig auch als Informationsinstrumente für ein biodiversitätsfreundlicheres Wirtschaften verstanden werden. Damit dies gelingt, sind jedoch erweiterte fachliche Kapazitäten und Kompetenzen im Bereich Biodiversität und Ökosystemleistungen erforderlich – insbesondere in strategischen Bereichen wie der Wirtschaftspolitik und Unternehmensführung. Darüber hinaus bedarf es einer stärkeren gesellschaftlichen Resonanz und Akzeptanz, vor allem bei Entscheidungsträgern im Agrarsektor und in der Landnutzung insgesamt. - Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten auf Biodiversität, aber auch Leistungen von Ökosys-temen für das Wirtschaften zu erfassen und zu bilanzieren, hilft Unternehmen und Politik nicht nur, ihre finanziellen Risiken abzuschätzen, die durch den Verlust von Naturkapital entstehen, sondern kann auch Chancen für ein nachhaltigeres Wirtschaften mit der Natur eröffnen. - Eine solche Politik und Unternehmensführung wird kurzfristig betrachtet auf Risiken durch Biodiversitätsverlust hinweisen müssen, längerfristig aber eine Trendwende hin zu mehr Wert-schätzung von Biodiversität und zum Erhalt von Naturkapital einleiten können. - Bisherige Naturschutzkonzepte sollen nicht ersetzt, sondern ergänzt werden. Es geht darum, Brücken zwischen Naturschutz und Ökonomie zu schlagen und die Leistungen der Natur stärker ins Bewusstsein zu rücken. Denn ohne einen ergänzenden ökonomischen Blickwinkel droht der Naturschutz daran zu scheitern, dass kurzfristige wirtschaftliche Gewinne oder Verluste immer wieder im Vordergrund stehen, während längerfristige ökologische Gewinne oder Verluste ausgeblendet werden. Eine konsequente Einbeziehung von Ökosystemleistungen hingegen macht heute schon greifbar, ob wir auch morgen noch darauf vertrauen können, dass beispielsweise unsere Apfelbäume und Erdbeerfelder bestäubt werden und uns viele weitere Gratisleistungen der Natur erhalten bleiben.
Referenzen
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